Auslegung des Hauptstromversorgungssystems
Technische Dimensionierung
Leistungsbedarfsermittlung gemäß DIN 18015
DIN 18015–1 trifft Grundaussagen zur Dimensionierung von Hauptstromversorgungssystemen, welche grundsätzlich auch für die Dimensionierung eines Hausanschlusses herangezogen werden können. Es werden hierbei lediglich Leistungen elektrischer Anlagen in Wohngebäuden (z. B. Mehrfamilienhäuser, Reihenhäuser, Einfamilienhäuser) sowie Wohngebäuden mit teilgewerblicher Nutzung mit haushaltsüblichem Bezug betrachtet.
Hierzu ist im Anhang A der DIN 18015–1 ein Diagramm enthalten, aus dem die zu erwartende gleichzeitige Gesamtleistung des Hauptstromversorgungssystems, bezogen auf die Anzahl der Wohneinheiten, abgelesen werden kann. Vor dem Ablesen der Gesamtleistung ist nur zu entscheiden, ob elektrische Energie zur Warmwasserbereitung für Bade- und Duschzwecke genutzt werden soll oder nicht. Weitere Leistungen müssen bedarfsgerecht bewertet und ggf. hinzugerechnet oder abgezogen werden.
Verbrauchs- und Erzeugungsgeräte
Sämtliche Lasten, die vom haushaltsüblichen Bezug abweichen, müssen vom Planer oder Errichter der elektrischen Anlage separat bewertet werden. Zu diesen Verbrauchs- und Erzeugungsgeräten zählen PV-Anlage, Warmwasserbereiter, Wärmepumpe, Energiespeicher, Mini-BHKW, Brennstoffzelle, Wallbox, Klimatisierung und Sonderlasten. Nur der Planer und/oder Errichter haben die Kenntnis von den einzelnen elektrisch betriebenen Anlagen und Geräten. Sie können beurteilen, wie sich deren Betrieb auf die zeitgleiche Gesamtleistung der elektrischen Anlage und somit auf die Dimensionierung des Hausanschlusses auswirken.
So kann beispielsweise ein Gebäude mit teilgewerblicher Nutzung mit mehreren kleinen Nutzungseinheiten ähnlich wie ein Wohngebäude betrachtet werden.
Erzeugungsanlagen, deren Leistungen unterhalb der Gesamtleistung des Gebäudes liegen, werden bei der Dimensionierung des Hausanschlusses nicht betrachtet, soweit diese keinen direkten Bezug zu Verbrauchsgeräten haben.
Eine direkte Wechselwirkung besteht zum Beispiel zwischen PV-Anlage und Klimageräten, da ein direkter Zusammenhang zwischen dem Zeitpunkt der Stromerzeugung und dem Verbrauch besteht. Vereinfacht ausgedrückt: Klimageräte sind im Sommer im Betrieb, wenn auch der energetische Ertrag aus der PV-Anlage am höchsten ist. Durch eine kommunikative Kopplung der Erzeugungsanlage (z. B. PV-Anlage) und den Verbrauchern (z. B. Wärmepumpe) kann sichergestellt werden, dass eine Klimatisierung auch wirklich nur bei überschüssigem solaren Energieertrag anläuft. Durch diese Kopplung kann für die Dimensionierung des Hausanschlusses auf die Betrachtung der fest angeschlossenen Verbraucher und Erzeugungsanlagen verzichtet werden.
Bei Ladeeinrichtungen für Elektrostraßenfahrzeuge ist zu unterscheiden, ob die Ladeeinrichtungen in der Gesamtleistung über ein Lastmanagement begrenzt sind oder eigenständig funktionieren. Bei ungeregelten Ladeeinrichtungen sind die Leistungen der einzelnen Ladeeinrichtungen zu addieren und der sonstigen Leistung im Gebäude hinzuzurechnen.
Betriebsart und Gleichzeitigkeitsfaktor
Zur Dimensionierung von Netzanschlüssen muss die Betriebsart der gesamten elektrischen Kundenanlage bewertet werden. Man unterscheidet zwischen Teillastbetrieb und Dauerbetrieb. Im Teillastbetrieb wirkt am Netzanschluss eine geringere Leistung als die Summe aller in der Kundenanlage installierten Leistungen. Die Gesamtleistung eines Anlagenteils im Aussetzbetrieb wird für die Betrachtung der zeitgleichen Gesamtleistung am Hausanschluss daher mit einem Gleichzeitigkeitsfaktor gewichtet. Die Größe des Faktors liegt zwischen 0 und 1 und muss durch den Planer und/oder Errichter für jeden Anlagenteil oder große Verbraucher/Erzeuger separat festgelegt werden.
Im Dauerbetrieb ist die zeitgleiche Leistung eines Anlagenteils gleich der Summe der Nennleistungen aller elektrischen Geräte und Verbraucher in diesem Anlagenteil. Dauerbetrieb liegt vor, wenn die Nennleistung aller Verbraucher durchgehend für mind. eine Stunde erreicht wird. Für die Betrachtung der zeitgleichen Gesamtleistung am Hausanschluss wird ein Anlagenteil in der Betriebsart Dauerstrom mit dem Faktor 1 gewichtet und somit vollständig der restlichen elektrischen Anschlussleistung eines Gebäudes hinzugerechnet.
Ermittlung von Pmax
Um den tatsächlichen Leistungsbedarf am Netzanschluss bestimmen zu können, müssen die unter “Leistungsbedarfsermittlung“, “Verbrauchs- und Erzeugungsgeräte“ und “Betriebsart und Gleichzeitigkeitsfaktor“ aufgezeigten Einflussfaktoren berücksichtigt werden. Dabei ist es sinnvoll die Maximalleistung (Pmax ) zu berechnen, indem entgegen der Stromflussrichtung vorgegangen wird. Demnach steht die Leistungsbedarfsermittlung für die gesamte elektrische Anlage an erster Stelle.
Das in DIN 18015–1 in Anhang A vorhandene Diagramm (siehe unten) kann für die Annäherung an den benötigten maximalen Bezugsstrom verwendet werden. Ebenfalls aufgeführt ist im Diagramm die Änderung der Kurve bei Benutzung von elektrischen Warmwasserbereitern (Durchlauferhitzern). Allerdings müssen zusätzlich auch andere Großverbraucher berücksichtigt werden, wenn diese zu einer groben Abweichung der zu erwartenden Gesamtleistung führen. Hierunter fallen bei Neubauten Durchlauferhitzer, Ladepunkte für Elektrostraßenfahrzeuge, Wärmepumpen, Klimageräte, sowie Sonderlasten (Aufzüge, Saunen oder Pools).
Werden alle Sonderlasten mit dem erwartbaren Bezugsstrom addiert, ergibt sich die maximal benötigte Leistung am Hausanschluss. Dieser Wert kann jedoch durch Speichersysteme oder Erzeugungsanlagen, aber auch durch die Integration von Lastmanagementsystemen und die Berücksichtigung von Gleichzeitigkeitsfaktoren reduziert werden. Bei schaltbaren bzw. steuerbaren Lasten können Lastabwurfrelais oder Lastmanagementsysteme genutzt werden, um Lastspitzen zu vermeiden. Bei Erzeugungsanlagen ist zu unterscheiden, ob die Erzeugung beziehungsweise die zwischengespeicherte Energie zum Ausgleich von Lastspitzen verwendet werden kann. Stromerzeugungsanlagen wie PV-Anlagen können aufgrund der Volatilität der Sonnenenergie nur bei direkten Wechselwirkungen mit Verbrauchern P max reduzieren (vgl. Verbrauchs- und Erzeugungsgeräte). Für bestimmte Verbraucher oder Anlagenteile kann schlussendlich noch der Gleichzeitigkeitsfaktor angesetzt werden. Für den allgemeinen Bezugsstrom bzw. Haushaltsstrom sind hierfür bereits Werte im Diagramm der DIN 18015–1 Anhang A angenommen.
Gebäude mit wohnähnlicher Nutzung in Kombination mit Gewerbe
Wohngebäude mit einer gemischten Nutzung aus Wohnen und Gewerbe werden in der elektrischen Leistungsbilanz gesondert betrachtet. Eine gemischte Nutzung liegt vor, wenn in dem Gebäude eine Kombination aus Wohnungen und z. B. Versicherungsbüros, Arztpraxen oder Ladengeschäften vorliegt. Die Ermittlung der maximalen zeitgleichen Leistung am Netzanschluss ermittelt sich durch Addition des Bedarfes für Wohnen und Gewerbe. Dabei ergibt sich der Anteil für Wohnen aus dem normativen Regelwerk (DIN 18015–1) und der Anteil Gewerbe aus der beantragten Leistung mit Angabe der Gleichzeitigkeitsfaktoren.
Wirtschaftliche Betrachtungen
Baukostenzuschuss und Netzanschlusskosten
Der Baukostenzuschuss (BKZ) ist eine anteilige Kostenbeteiligung für den Anschluss an das vorgelagerte Stromverteilungsnetz, die vom Anschlussnehmer zu tragen ist. Der zu übernehmende Kostenanteil bemisst sich nach dem Verhältnis, in dem die an seinem Netzanschluss vorzuhaltende Leistung zu der Summe der Leistungen steht, die in den im betreffenden Versorgungsbereich erstellten Verteileranlagen vorgehalten werden. Der Baukostenzuschuss kann auf der Grundlage der durchschnittlich für vergleichbare Fälle entstehenden Kosten pauschal berechnet werden und wird in Euro pro kW oder in Euro pro kVA ausgewiesen.
Der Gesetzgeber gewährt entsprechend der Niederspannungsanschlussverordnung (NAV) an jedem Netzanschluss eine kostenfreie BKZ-Anschlussleistung von 30 kW. Für die darüberhinausgehende Leistungsanforderung kann der Netzbetreiber einen Baukostenzuschuss verlangen.
Die blaue Kurve zeigt den Leistungsbedarf mit elektrischer Warmwasserbereitung. Die rote Kurve zeigt den Leistungsbedarf ohne elektrische Warmwasserbereitung.
Die blaue Kurve zeigt den Leistungsbedarf mit elektrischer Warmwasserbereitung.
Die schwarze Kurve zeigt den Leistungsbedarf mit elektrischer Warmwasserbereitung und Elektromobilität. Über ein Lastmanagement wird die Leistung am Netzanschluss begrenzt (Netzanschlussbauweise 250 A mit einer maximalen Dauerleistung von 155 kW).
Wird keine Begrenzung vorgenommen, würde sich der Leistungsbedarf stark erhöhen, wie die schwarzgestrichelte Kurve zeigt.
Beispiel
Einfamilienhaus mit einer beantragten Leistung P max = 35 kW (spezifischer BKZ-Betrag = 25,00 Euro/kW, Freibetrag am Netzanschluss = 30 kW)
Berechnung:
(35 kW - 30 kW) x 25,00 Euro/kW = 125,00 €
Der zu entrichtende Baukostenzuschuss beträgt 125,00 Euro zzgl. MwSt.
Netzanschlusskosten werden durch den Anschlussnehmer getragen. Entsprechend seiner Leistungsanforderungen kommt eine Standardbauweise zu Pauschalpreisen zum Einsatz oder es wird ein nach Aufwand kalkulierter Netzanschluss errichtet.
Steuerung und Kommunikation (Lastmanagement)
Wenn an einem Hausanschlusspunkt nicht nur Wohnungen nach DIN 18015 versorgt werden, sondern auch z. B. mehrere Ladepunkte für Elektromobilität versorgt werden sollen, kann ein Lastmanagement die bestehenden Reserven des Hausanschlusses nutzen, bevor es einer Verstärkung oder gar eines neuen Hausanschlusses bedarf.
Man unterscheidet grundsätzlich zwischen statischen Lastmanagement und dynamischen Lastmanagement. Beim statischen Lastmanagement wird eine fest eingestellte maximale Leistung auf die angeschlossenen Ladepunkte verteilt. Diese sind kommunikativ gekoppelt und bei gleichzeitigem Laden kann an allen Ladepunkten die gleiche Energie entnommen werden, die in Summe die zur Verfügung stehende Energie nicht überschreitet.
Beim dynamischen Lastmanagement wird die aktuelle Leistung am Netzanschlusspunkt gemessen. Vorrang haben die angeschlossenen Wohnungen, deren Komfort hinsichtlich des gewünschten Strombedarfes nicht eingeschränkt wird. Den angeschlossenen Ladepunkten hingegen wird die noch am Netzanschlusspunkt zur Verfügung stehende Leistung auf die gleichzeitig stattfindenden Ladungen zugeteilt. In Zeiten mit wenig Strombedarf aus den Wohnungen kann so mehr Leistung an den Ladepunkten zur Verfügung gestellt werden. Auch hier sind die Ladepunkte kommunikativ mit dem Lademanagement zu koppeln. Eine Überlastung des Netzanschlusses und der bereitgestellten Leistung wird so sicher vermieden.
In unterschiedlichen Anwendungen können Lade- oder Lastmanagement zusätzliche Funktionen erfüllen. So kann z. B. dem Ladepunkt mit dem größten Bedarf auch mehr Ladeleistung zugeteilt werden oder in Abhängigkeit eines gewählten Abfahrtzeitpunktes der Ladestart verschoben werden.